Zum internationalen Tag der Muttersprache
Der heutige Tag soll daran erinnern, wie wichtig die Muttersprache – oder genderneutraler ausgedrückt: die Erstsprache – in unserem Leben ist.
Sprache kann nur über Beziehung und echte Kommunikation erworben werden, das ist lange bekannt. Tradiert und natürlicher Weise kommt dabei der Mutter eine bedeutsame Rolle zu, was sich auch in dem Begriff „Motherese“ verbirgt. Damit ist die besondere Art und Weise des sprachlichen Frühkontaktes zwischen Baby und Mutter, u.a. mit seinem besonderen Ausdruck und „Sing-Sang“ (Prosodie im Fachjargon) gemeint.
Die Mutter- oder Erstsprache ist auch diejenige, die wir am besten beherrschen. Ein Grund dafür ist die Verankerung in der linken Hemisphäre des Gehirns, dort wo sich auch das Sprachzentrum befindet.
Aber was ist mit weiteren Sprachen, die wir erlernen, mit anderen Bezugspersonen oder später in der Schule?
Entscheidend dabei ist das Alter: Wer bis zum 6./7. Lebensjahr eine weitere Sprache intensiv lernt, wird diese im besten Falle auch wie eine Muttersprache gebrauchen können, da auch hier die Verankerung im linken Teil des Gehirns stattfindet. Wer Sprachen und andere Inhalte später erlernt, wird diese beidseitig verankern und folglich eine Erstsprache und eine oder weitere Zweisprachen beherrschen können.
Mit der Muttersprache verbinden wir nicht nur den typischen Lautstrom der Umgebungssprache, ihre Wörter und Sätze, sondern sie ist auch gekoppelt mit Erinnerungen, Empfindungen und Erfahrungen. Insofern ist eine Muttersprache immer auch ein Stück Heimat und schafft beim Sprechen und Zuhören im besten Falle ein vertrautes, beglückendes Gefühl der Zugehörigkeit, insbesondere wenn wir uns gut in ihr ausdrücken oder sie in der Fremde hören und gemeinsam darin mit anderen kommunizieren können.
Bildungs- und sozialpolitisch folgt aus dem oben Gesagten, dass es gerade in früher Kindheit wichtig ist, die sprachliche Entwicklung bei allen Kindern zu unterstützen, damit sie ihre Muttersprache oder Erstsprache gut sprechen lernen und darin kommunizieren können, aber auch die Kinder mit Deutsch als Zweitsprache gute Chancen für ihre Teilhabe und ihren Bildungsweg haben.
Doris Wendelborn